Kulissengespräch mit Dr. Konrad Lang
Von Hause aus Mathematiker folgten Sie Ihrer Leidenschaft des Komponierens, scheinbar nicht ausgelastet sind Sie als Vorsitzender der Freunde der Kammerspiele nun in die Theaterscene eingetaucht. Gibt es eine Parallele innerhalb dieser Professionen und welche, woran hängt Ihr Herz besonders?
Biographisch gesehen kam zuerst die Leidenschaft für Musik, danach die Theater-Begeisterung (Schüler-Abo am Stadt-Theater Mainz!) und erst sehr viel später die Faszination durch Mathematik. In der Schule hatte ich keinerlei Interesse an Mathematik. Die Begeisterung dafür wurde geweckt durch eine Vorlesung an der Universität Hamburg, die ich auf Empfehlung eines Freundes erst spaßes- und dann probehalber besuchte. Nach meiner Erfahrung sind kreative Prozesse in Musik und Mathematik strukurell ähnlich. Man kann aus der Vorgehensweise bei der Beschäftigung mit ungelösten mathematischen Problemen mitunter lernen, wie man bei einer Kompositions-Aufgabe vorgehen kann – und umgekehrt. Zu Parallelen mit der Theater-Arbeit kann ich leider nichts sagen – in Sachen Theater bin und bleibe ich interessierter und mitunter enthusiastischer Liebhaber. Meinem Herzen besonders nahe ist meine älteste Leidenschaft – die für Musik.
Lassen Sie sich schnell begeistern und neigen Sie dazu die Dinge eher positiv als negativ zu sehen?
Wichtig ist mir vor allem, sich die Neugier und Begeisterungsfähigkeit der Jugendjahre zu erhalten. Daran muss man arbeiten, auch wenn mitunter der Erfolg ausbleibt. In Sachen Mathematik zum Beispiel dauerte es sehr lang – wie oben berichtet – bis sich die Begeisterung einstellte. Es bedurfte eines „Erweckungserlebnisses“. Andererseits erinnere ich mich sehr deutlich an einen Theaterbesuch in Berlin 1962. Kortner inszenierte am Schiller-Theater „Was ihr wollt“ und meine sofort hell auflodernde Begeisterung war unüberhörbar und amüsierte das verwöhnte Publikum. Praktisch jeder Auftritt von von Curt Bois – er spielte den Malvolio – riss mich zu Szenen-Applaus hin. Ich hoffe sehr, dass ich diese Begeisterungsfähigkeit nach wie vor habe. Bei unerwarteten Ereignissen bemühe ich mich in der Regel zuerst um die Einsicht, welche positiven Konsequenzen sie haben könnten.
Welche Orte oder Landschaften geben Ihnen Kraft und Inspiration und warum?
Meine Lieblingslandschaft ist das Wallis in der Schweiz. Bergsteigen – nunmehr leider nur noch Bergwandern – ist für mich ein Gleichnis, das die Belohnung durch Weitsicht nach großer Anstrengung verdeutlicht.
Wann ist für Sie ein Theaterabend ein gelungener Abend, welche Kriterien innerhalb der Inszenierung sind für Sie ein wesentlicher Bestandteil und welche Rolle spielt für Sie dabei das klassisches Repertoire des Theaters?
Ein Theater-Abend ist für mich gelungen, wenn er mich aus dem Gleichgewicht bringt. Es bedarf geistiger und emotionaler Anstrengung, um wieder ins gewohnte alltagstaugliche Gleichgewicht zu finden. Zur Rolle der Inszenierung äußere ich mich vorsichtshalber nicht – das würde zu sehr ausarten. Ich liebe das klassische Repertoire; spezielle Favoriten sind Kleist, Büchner und Shakespeare.
Wie sieht für Sie das Theater der Zukunft aus?
Ich kann nur sagen, was ich vom Theater der Zukunft erhoffe. Um ausdrücken zu können, wie es aussehen muss, um diese Hoffnung erfüllen zu können, fehlt mir die professionelle Profundheit und Erfahrung.
Wie viele andere spüre auch ich, dass die Fundamente unserer scheinbar prosperierenden Gesellschaft anfangen zu bröckeln. Je nach politischer Grund-Colorierung wird die Behebung dieses oder jenes Problems durch die Politik in den Vordergrund gerückt. Aber viele beschleicht auch ab und zu die ungute Ahnung, dass wahrscheinlich komplexe Zusammenhänge bestehen, die ebenso wichtig wie unverstanden sind.Deswegen erhoffe ich vom Theater der Zukunft, dass es immer wieder ein hinreichend großes Publikum trotz zunehmender Narkotisierung durch die Unterhaltungs-Industrie findet – aus einem Grund, der schon in der Antike die Stadtväter Athens gemäß einer häufig zitierten Überlieferung dazu bewog, das Theater zu pflegen: Theater-Kunst kann Zusammenhänge verdeutlichen, für die der Wissenschaft die Erkenntnis und der Gesellschaft die Worte fehlen.
Dr. Konrad Lang, Vorsitzender der FdK seit 2016
Angela Biller Interview, Fotos