Hajo Tuschy

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Hajo Tuschy Bonner Theaterpreisträger 2018

 

Jetzt habe ich zum 11. Mal die große Ehre und schöne Aufgabe, unseren „Thespis“ Preisträger zu loben. 2014, also am Ende seiner ersten Bonner Spielzeit, war er bereits nominiert für den „Thespis“ der Freunde der Kammerspiele. Nun, am Ende seiner letzten Bonner Spielzeit, bekommt er ihn tatsächlich. Mittlerweile hat er hier so viele Rollen gespielt, dass ich hier sicher nicht alle aufzählen werde.

Was stets überzeugte, war neben seiner spielerischen Fantasie und seiner Beweglichkeit vor allem die intellektuelle Scharfsicht auf seine Figuren. Hajo Tuschy begreift sich immer als Erforscher von möglichen Welten und ihrem Potenzial zur Gegenwarts-Reflexion. Egal, ob er eine Rolle analysiert oder gesellschaftliche Entwicklungen diskutiert: Er ist ein hellwacher Beobachter von Zuständen, stets mit dem Blick auf ihre Veränderbarkeit. Dabei bewegt er sich gern gegen den ästhetischen und politischen Mainstream. Aber wir zeichnen hier jetzt ja nicht bloß einen klugen Kopf aus, sondern in erster Linie einen Schauspieler.

Hajo Tuschy wurde 1986 in Eckernförde an der Ostsee geboren und wuchs in einem Dorf zwischen Schleswig und Husum auf.  Schon als Schüler wirkte er begeistert im Jugendclub des Schleswiger Stadttheaters mit. Nur nebenbei: Wie sich die Bilder gleichen – das schöne alte Haus wurde mittlerweile abgerissen, gespielt wird in Provisorien, über Neubauten redet man gern und am liebsten so lang, bis das ganze Theater vergessen ist.

Nach dem Studium an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ war Tuschy drei Jahre lang am Luzerner Theater engagiert. Für seine Rollengestaltung bei der Schweizer Erstaufführung des Stückes „Invasion!“ erhielt er 2011 in der Fachzeitschrift „Theater Heute“ eine Nominierung als bester Nachwuchsschauspieler. 2012 zeichnete ihn der Luzerner Theaterclub mit seinem „Prix Gala“ aus. Schon 2010 spielte er mit in dem u.a. mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten ARD-Film „Neue Vahr Süd“ (Regie Hermine Huntgeburth). Der eine oder andere hier wird ihn auch gesehen haben als jungen Redakteur in dem u.a. mit dem Deutschen Filmpreis 2016 ausgezeichneten Spielfilm „Der Staat gegen Fritz Bauer“.

Seit der Spielzeit 2013/14 ist Hajo Tuschy festes Ensemble-Mitglied in Bonn. Er stellte sich in den Kammerspielen vor als Siegfried in Hebbels „Nibelungen“, inszeniert von dem gebürtigen Isländer Thorleifur Örn Arnasson. Wobei Tuschy dem Klischee des blonden deutschen Recken gewiss nicht entspricht. Er spielte mit u.a. in Volker Löschs von den Freunden der Kammerspiele ausgezeichnetem Recherche-Projekt „Waffenschweine“, überzeugte in der unvergesslichen Aufführung von „Herz der Finsternis“ (Regie: Jan-Christoph Gockel) in der Halle Beuel und in der Werkstatt bei der Uraufführung von „Traurigkeit und Melancholie“. Unbedingt genannt werden müssen noch der Wurm in „Kabale und Liebe“ (Regie: Martin Nimz) und unter den diversen Shakespeare-Stücken zumindest der Mercutio in „Romeo und Julia“ (Regie: Laura Linnenbaum, deren „Heilige Johanna der Schlachthöfe“ wir heute ausgezeichnet haben). Beides Aufführungen, die neben sprachlicher Virtuosität auch geradezu akrobatische Fähigkeiten erforderten. Ebenso wie „Der Spieler“ nach Dostojewski, den Tuschy zusammen mit dem Musiker Jacob Suske in der Werkstatt selbst inszenierte. Das war ein echtes Kabinettstück mit rasanten Rollenwechseln und einer völlig irren Nummer in einem Koffer-Karussell.

Hervorragend war in der Spielzeit 2016/17 sein Landvermesser K. in Kafkas „Schloss“ (Regie: Mirja Biel).  Aber wie es so läuft: Schauspieler brauchen gute Rollen, um dem Publikum wirklich massiv aufzufallen. Und unser „Thespis“ ist letztlich ein Publikumspreis. Der spitzzüngige Ingenieur Marc in Yasmina Rezas unverwüstlicher Komödie „Kunst“ erschien in der Inszenierung von Jens Groß dem Künstler Hajo Tuschy geradezu auf den Leib geschneidert.

In der nun zu Ende gehenden Saison war er der junge Paul in der Uraufführung von Thomas Melles „Der letzte Bürger“ (Regie: Alice Buddeberg), ein durchaus intelligenter Rechtsradikaler, Enkel einer Generation, die wir nach 50 Jahren gern als 68er bezeichnen. „Wir müssen uns von dem Klischee verabschieden, dass die neuen  Nationalisten alles Hohlköpfe mit Glatze und Springerstiefeln sind“, sagte Tuschy völlig richtig in einer Diskussion. Er ist nämlich ein sehr nachdenklicher und eloquenter historisch-politischer Spurensucher. So tiefschwarz mit bräunlichem Hintergrund könnte man den Chauffeur Karl in Horváths bitterböser Komödie „Zur schönen Aussicht“ (Regie: Sebastian Kreyer) sonst wohl gar nicht spielen.

Persönlich am liebsten nenne ich jedoch „Don Quijote“, den Tuschy zusammen mit seinem Kollegen Manuel Zschunke in der Werkstatt auf die Bühne brachte. Ein wunderbar verspielter Versuch über die Tücken der Selbstinszenierung, theatrale Ritte gegen Windmühlenflügel, mehr oder weniger stimmige Behauptungen und das selbstreferentielle Theater, das sich seine weltbedeutenden Bretter ab und zu mutwillig selbst unter den Füßen wegzieht. Denn: Eins müssen wir hier unbedingt noch erwähnen: Hajo Tuschy verfügt über einen ganz speziellen Humor, der sich wie bei etlichen Nordlichtern manchmal erst auf den zweiten Blick erschließt.

Verraten dürfen wir schon, dass Hajo Tuschy ab der Spielzeit 2019/20 ein bisschen nördlich von Bonn am Niedersächsischen Staatstheater Hannover unter der neuen Schauspielintendanz von Sonja Anders engagiert ist.

Wir wünschen Ihnen, lieber Herr Tuschy, viel Erfolg für Ihre Zukunft. Natürlich erstmal auch für Ihre neue Rolle als Vater. Zusammen mit der Dramaturgin Johanna Vater in ihrer neuen Mutterrolle. (Text Frau Einecke-Klövekorn)